Bis Ende des Jahrhunderts wollen die Unterzeichner des Pariser Klimaabkommens den Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen. Nur Ziele allein reduzieren noch kein CO2. Dazu braucht es die Real- sowie die Finanzwirtschaft. „Ohne Umleitung privater Kapitalströme in Richtung Nachhaltigkeit werden der umfassende Wandel der EU-Wirtschaft und Gesellschaft und die Erreichung der Ziele 2050 nicht möglich sein“, fasst es Jacco Minnaar, Vorstandsvorsitzender der deutschen Triodos Asset Management, im Gespräch mit dem Börsianer Grün zusammen.
Und hierfür ist der EU-Aktionsplan eine wesentliche Stütze. Den Startschuss machte die EU-Offenlegungsverordnung, die seit 10. März 2021 gilt. Sie schreibt großen Unternehmen, Investmentgesellschaften und dem Finanzvertrieb vor, dass sie darlegen müssen, wie sie das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen, im Portfolio-Management und in ihrer Beratung umsetzen.
Climate Fact
Was sagen der EU-Aktionsplan und die Taxonomie?
Die EU-Taxonomie, die Nachhaltigkeitsklassen einführt, ist Teil der Offenlegungsverordnung oder Sustainable Finance Disclosure Regulation SFDR, die mit 10. März 2021 in Kraft getreten ist. Sie schreibt vor, dass 2021 über die Verfolgung folgender sechs Umweltziele berichtet werden muss und Finanzprodukte entsprechend klassifiziert werden müssen. Soziale und Governance-Kriterien sollen bis Ende 2021 vorgeschlagen und bis Ende 2022 angewendet werden. So lautet der EU-Plan, dessen ambitionierter Zeitplan aber angezweifelt wird.
Die in der Verordnung enthaltene EU-Taxonomie, die Nachhaltigkeit klassifiziert, ist noch nicht zu Ende gedacht. „Bis dato wurden die ersten beiden Taxonomieziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel erarbeitet“, präzisiert Wolfgang Pinner, Leiter Nachhaltige Investments der Raiffeisen KAG in Wien, „die restlichen vier Umweltziele sollen im Laufe des Jahres 2023 folgen. Allerdings werden heuer noch weitere Anhänge zu den ersten beiden Zielen veröffentlicht, die sich mit Atomenergie und Erdgas auseinandersetzen. Und nach den sechs Umweltzielen wird gerade auf EU-Ebene eine soziale Taxonomie erarbeitet. Mit ersten Entwürfen ist nicht vor dem dritten Quartal 2021 zu rechnen.“
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Andrea Sternisko von PWC sieht im EU-Aktionsplan eine gute Ergänzung zu den siebzehn Sustainable-Development-Zielen der Vereinten Nationen: „Die SDGs geben die Richtung vor, was auf globaler Ebene erreicht werden soll, die EU-Taxonomie macht den Beitrag einzelner Unternehmen messbar und erleichtert es den EU-Mitgliedsstaaten, ihre Erfolge sichtbar zu machen.“
Die EU-Taxonomie dient auch als Basis für jährliche Nachhaltigkeitsberichte, die für Unternehmen ab 250 Mitarbeiten verpflichtend werden, sagt Andrea Sternisko: „Ab dem Geschäftsjahr 2022 sind sämtliche Wirtschaftsaktivitäten, Portfolios, Kredite und Investitionen auf ihre Taxonomie-Konformität zu überprüfen und die entsprechenden Daten zu Umsatz, Investitionen und gegebenenfalls operativen Betriebsausgaben für einzelne Portfolios und für das gesamte Unternehmen zu ermitteln. Viele Marktteilnehmer befürchten aufgrund des Aufwands, den knappen Zeitplan nicht einhalten zu können.“
Grüne Fehlallokation vermeiden
„Für die Kunden hat die neue Taxonomie bereits jetzt positive Effekte“, sagt Volker Schilling, Vorstand der deutschen Greiff Capital Management AG, „mit der Eingruppierung eines jeden Fonds nach Artikel 8, 9 oder 6 kann jeder Investor im Prospekt erkennen, ob der Fonds nachhaltig agiert, sich sogar engagiert oder darauf verzichtet.“
Seit dem 10. März 2021 muss man seine Produkte entsprechend in „hellgrüne“, „dunkelgrüne“ und „graue“ Fonds einordnen. „Der Fondsmarkt als Ganzes ist bei weitem noch nicht so grün. Ich halte es für einen großen Fehler vieler Fondsanbieter, die neuen EU-Regularien als zusätzliche Compliance-Kosten statt als Wachstumschance zu betrachten“, sagt Jacco Minnaar der aber auch überzeugt ist, dass die EU-Taxonomie Greenwashing erschwert. Nur grün denken macht aber auch Probleme.
„Wenn die Politik darauf abzielt, die Kapitalströme nur noch in saubere Unternehmen zu leiten, kann das entweder zu Fehlallokationen führen, oder man verzichtet auf einen wesentlichen Treiber der Nachhaltigkeit: die Veränderung bei den ganz besonders ,dreckigen‘ Unternehmen. Es braucht neben der EU-Taxonomie auch monetäre Anreize für besseres Verhalten und monetäre Nachteile für Umweltsünder“, sagt Volker Schilling. (von Julia Kistner, Börsianer Grün Magazin, hier zur langen Version)
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