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Atomkraft Nachhaltig Taxonomie Fukushima
SSE Chornobyl NPP / Action Press / picturedesk.com
Von Antonia Hotter
Atomkraft: Warum Fukushima eine Erfolgsgeschichte ist
Die EU klassifiziert Atomkraft als grüne Energiequelle. Investoren, für die Kernenergie seit Jahren ein Ausschlusskriterium bei nachhaltigen Finanzprodukten ist, sind empört. Bill Gates und Emmanuel Macron sagen: Ohne Kernkraft gelingt die Energiewende nicht. Wer hat recht?
Februar 2022
ist Klimaökonom und Autor. Seit 2019 lehrt und forscht er an der New York University, davor an der Harvard University. Dort zog es den gebürtigen Österreicher schon zum Studium hin, wo er bis zur Promotion blieb. Davor holte er sich einen Master in Stanford. Der leidenschaftliche Läufer schrieb mehrere Bücher, eines wurde zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2017 gekürt. Wenn englischsprachige Menschen ihn fragen, wie man seinen Vornamen ausspricht, sagt Wagner: „Sowie Juggernaut aber ohne Jug”.
ist Senior Portfolio Manager Nachhaltige Anlagen und seit 2008 bei Swisscanto Invest tätig. Gerhard Wagner schloss sein Physikstudium an der Universität Konstanz ab. Anschließend promovierte er in Naturwissenschaften an der ETH Zürich. Im Jahr 2006 erwarb er das Diplom zum Chartered Financial Analyst (CFA).

Deutschland hält Brüssel ein empörtes Nein entgegen, Österreich droht mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Dass die EU Atomkraft in der Taxonomie als nachhaltige Energiequelle einstuft, missfällt den deutschsprachigen Mitgliedstaaten. Davon zeigt sich EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness unbeeindruckt. Sie schließt eine grundlegende Überarbeitung aus. Was liegt, das pickt.

Grund genug für Frankreichs Ministerpräsident Emmanuel Macron, Luftsprünge zu machen. Die Grande Nation bezieht zwei Drittel ihres Stroms aus Atomkraftwerken und setzt bei der Energiewende auf ebendiese. Ein weiterer Reaktor ist in Bau. Rückendeckung erhält Macron von niemand geringerem als Microsoft-Gründer Bill Gates. Für ihn ist Kernenergie der Schlüssel zu einer dekarbonisierten Wirtschaft.

Atomkraft: Warum Fukushima eine Erfolgsgeschichte ist





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„Atomkraft ist weder nachhaltig noch grün, aber eine CO2-niedrige Energiequelle”, sagt Klimaökonom Gernot Wagner im Gespräch mit dem Börsianer Grün. In einem Essay für das Wall Street Journal vertritt er die Meinung, dass Kernenergie Teil der globalen Lösung des Klimaproblems ist. „Natürlich soll Österreich keinen Reaktor bauen. Deutschland hat mittlerweile auch Alternativen”, konstatiert er. Aber dass Deutschland zuerst aus der Atomkraft und dann aus der Kohle aussteigt, hält Wagner für die falsche Reihenfolge.

climate fact

Climate Fact

Statistik der Todesfälle

Klima Fakt

Kohlekraftwerke fordern mehr Tote als Atomkraftwerke. 2007 veröffentlichten zwei britische Forscher eine Analyse, die das belegt. Darin berücksichtigen sie sowohl tödliche Unfälle als auch vorzeitige Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung. Zur Veranschaulichung: Eine durchschnittliche europäischen Stadt hat 187.090 Einwohner. Bezöge diese ihre gesamte Energie aus Kohle, würden durchschnittlich 25 Menschen pro Jahr sterben. Dagegen würden nur 0,07 Menschen pro Jahr sterben, bezöge die Stadt ihre gesamte Energie aus Atomkraftwerken.

„Fukushima ist eine Erfolgsgeschichte”

Ist Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler zu Unrecht beunruhigt, wenn sie sagt: „Die Atomkraft ist gefährlich, wie uns Tschernobyl und Fukushima deutlich gezeigt haben”? Es gebe einen großen Unterschied zwischen Tschernobyl und Fukushima, betont Wagner. In Fukushima konnte man nur einen Todesfall der Radioaktivität zuordnen. Tausende starben wegen des stärksten Erdbebens in Japans Geschichte, aber nur ein Mensch wegen der Strahlung.

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„Insofern ist Fukushima eine Erfolgsgeschichte. Die Sicherheitsvorkehrungen funktionierten gut genug. Aber dass in Russland immer noch neun Reaktoren der Tschernobyler Bauart stehen, ist eine werdende Katastrophe, eine tickende Zeitbombe.”

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Gernot Wagner, Klimaökonom New York University

Aus dem Auge, aus dem Sinn

Die Lagerung des Atommülls ist ein weiteres Bedenken der Atomgegner. „Dabei gibt es technische Lösungen, nur politische fehlen”, wendet Wagner ein. Kein Land will den Atommüll haben.

zahlen und fakten

Zahlen & Fakten

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zahlen und fakten

Standorte sind in Deutschland im Rennen für ein Endlager. Dieses muss in etwa 300 Meter Tiefe liegen, von einer starken Gesteinsschicht umgeben sein und über eine Million Jahre keinen Zugang zum Grundwasser haben. Idealerweise sollte ein Abstand zu Wohngebieten bestehen. Gebiete, in denen Erdbeben-Gefahr besteht, sind ungeeignet. Weltweit ist noch kein solches Endlager in Betrieb. Die Entscheidung für einen Standort soll in Deutschland bis 2031 fallen. Die Suche übernimmt die Bundesgesellschaft für Endlagerung. Im Jahr 2020 veröffentlichte sie einen 444-seitigen Zwischenbericht.

Was die Endlagerung von Atommüll betrifft, ist Finnland am weitesten. Dort wurde 2004 mit dem Bau begonnen. Aktuell sieht die Lage so aus: „Wir machen das Dümmste überhaupt. Der Atommüll wird in einer Art bewachten Turnhalle außerhalb des Reaktors aufbewahrt, weil niemand den Müll haben möchte”, kritisiert Wagner.

In solchen Zwischenlagern befinden sich in Europa aktuell rund 60.000 Tonnen abgebrannter Brennstäbe. Zum Vergleich: Die globalen CO2-Emissionen betragen jährlich rund 35 Milliarden Tonnen. „Wir glauben, es ist ein durchsichtiges, geruchloses Gas, das in der Atmosphäre verschwindet”, sagt Wagner und weist darauf hin, dass es noch keine ausgereiften technischen Lösungen gibt, um CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen.

Taxonomie gescheitert?

Die Finanzindustrie gibt sich damit nicht zufrieden. Seit der Geburt des „Sustainable Investment“ ist Atomenergie ein Ausschlusskriterium. „Eigentlich sollte die Taxonomie Anlegern Orientierung geben, welche Wirtschaftstätigkeiten den globalen Umweltzielen dienen, mit Atomenergie konterkariert man das“, zeigt sich Ingrid Szeiler empört. Sie ist Investmentchefin bei der österreichischen Raiffeisen Capital Management.

„Da fühle ich mich als Portfoliomanager, der Nachhaltigkeit seriös umsetzt, wirklich verarscht. Hat die EU es wirklich nötig, vor Frankreich und Polen in die Knie zu gehen?”, fragt Karin Kisling, Geschäftsführerin der digitalen Vermögensverwaltung Savity. Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit der Taxonomie, die ein Kompromiss zu Gunsten der Zeit ist. Es ging darum, die Unterstützung von Frankreich zu bekommen. Das macht Atomkraft weder nachhaltig noch grün: „Die Sprachwahl ist dumm, dümmlich, politisch natürlich”, mockiert sich der Klimaökonom. „Hätten wir ein besseres Ergebnis bekommen können, wenn es länger gedauert hätte? Vielleicht. Aber im Endeffekt wird diese Taxonomie trotzdem Gutes bewirken.”

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Alles beim Alten

Fondsgesellschaften halten daran fest, dass Atomkraft nicht nachhaltig ist. Auf Nachfrage des Börsianer Grün bestätigen das etwa Union Investment, Swisscanto Invest, Deka Investment, Erste Asset Management und die Raiffeisen Kapitalanlagegesellschaft.

„Eine Technologie, die bei einem Fehler Schäden und menschliches Leid wie z.B. in Fukushima verursacht, hat aus meiner Sicht keinen Platz in einem streng nachhaltigen Anlageprodukt. Den einzigen Spielraum, den ich mittelfristig potenziell sehe, sind Unternehmen, die zeitnah aus der Kernenergie austeigen und gleichzeitig massiv die erneuerbaren Energien ausbauen“, sagt Gerhard Wagner, Head of Sustainability bei Swisscanto Invest.

Ist die Taxonomie in diesem Punkt also bedeutungslos? „Am Ende des Tages wird jede Gesellschaft für sich ihren eigenen Nachhaltigkeitsgrundsatz definieren müssen und nicht auf Brüssel hören”, schlussfolgert Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der österreichischen 3 Banken Generali Investment. So könnte das Projekt Taxonomie, dessen Ziel es doch war, den Wust an nationalen Definitionen von Nachhaltigkeit zu entwirren, also doch wieder im nationalen Alleingang enden.

Meine Grüne Rendite

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Dass die EU Atomkraft als nachhaltige Energiequelle eingestuft, ist falsch. Kernenergie ist weder nachhaltig noch grün. Sie stößt aber weniger CO2 aus und fordert im Durchschnitt weniger Todesopfer als andere fossile Energieträger. Was die Endlagerung von Atommüll betrifft, gibt es technische Lösungen, aber die Umsetzung ist ein Politikum: Niemand will den Atommüll haben. Man sollte Kernenergie nicht verteufeln und sie als kurzfristige Alternative zur Kohle sehen. Durch die Aufnahme von Atomkraft büßt die Taxonomie an Glaubwürdigkeit ein. Insgesamt stimmt aber die Richtung.

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