Weiße Schneestreifen in grünen Landschaften, massiver Energieverbrauch durch die wegen der Erderhitzung immer intensivere Beschneiung – ist unter diesen Voraussetzungen ein (weihnachtlicher) Skiurlaub überhaupt vertretbar? Gerade in Zeiten der Energieknappheit ist das Thema im Alpenraum hochgekocht. Es stellt sich die Frage: Geht nachhaltiger Skitourismus überhaupt und wenn ja, wie?
Wie nachhaltig ist mein Skiurlaub?
Anreise macht den Unterschied
Christian Baumgartner ist Professor für nachhaltigen Tourismus an der Fachhochschule Graubünden in der Schweiz und Gründer des Consultingunternehmens response & ability und gilt im Alpenraum als einer der Wegbereiter auf diesem Gebiet. Für ihn ist klar: Alle, sei es Gast, Hotel oder Destination, können ihre Beiträge leisten. „Für den Gast ist die Hauptfrage: Wie reise ich an?“, sagt Baumgartner. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass rund 50 Prozent der CO2-Emissionen eines Skiurlaubs bei der An- und Abreise entstehen. Weitere 32 Prozent entstehen in der Unterkunft und nur etwa 18 Prozent macht das Skifahren selbst, also die Seilbahnen und Pisten, aus.
Climate Fact
Treibhausemissionen im Winterurlaub
So gesehen sei die öffentliche Anreise die wichtigste Stellschraube. Wer auf den Flug überhaupt nicht verzichten kann, dem rät Baumgartner zu seriösen Kompensationslösungen. Zu nennen wären hier die deutsche Organisation Atmosfair oder das Schweizer Pendant My Climate. Sein Tipp: Ans Bahnnetz angebundene Skigebiete wählen und sich die Skiausrüstung vor Ort borgen. Einige Gebiete offerieren sogar Liftkarten-Rabatte für öffentlich anreisende Gäste. Vorbildliche Projekte in Sachen Mobilität sind etwa Werfenweng im Salzburger Land oder Davos, wo man übrigens bis 2030 die erste klimaneutrale Destination der Schweiz werden möchte.
Bei der Unterkunftswahl helfen staatlich anerkannte Gütesiegel wie das Ibex Fairstay in der Schweiz oder das österreichische Umweltzeichen. Bei der Skigebietswahl rät Baumgartner dazu, eher auf kleine Gebiete zu setzen, denn dort sei der Landschaftsverbrauch meist geringer und zudem bleibe dort das Geld zu einem hohen Maße in der Region. Die Frage ist nur: Wie lange noch?
Zahlen & Fakten
4.2
20 Prozent der Skigebiete vom Klimawandel bedroht
Mit den Auswirkungen der Klimaerhitzung auf den Wintertourismus setzt sich der Innsbrucker Finanzwissenschaftler Robert Steiger auseinander (Hier geht es zum Climate-Action-Podcast mit ihm). Auch wenn man den technologischen Fortschritt einberechne, seien in Österreich Mitte des Jahrhunderts 20 Prozent der Skigebiete wegen Schneemangels bedroht. In der Schweiz und Österreich gäbe es Schätzungen, dass schon jetzt etwa jedes dritte Skigebiet nicht aus eigener Kraft eine schwarze Null erwirtschaften kann, so Steiger. Meist schießen Länder oder Gemeinden etwas bei. Bei Investitionen werden immer stärker die Risken der Erderwärmung betrachtet, wie etwa auch die Bank für Tirol und Vorarlberg AG (BTV) bestätigt, die viele touristische Projekte in Westösterreich, Süddeutschland und der deutschsprachigen Schweiz finanziert.
Die BTV arbeitet mit einem ESG-Rating. Zentrale Punkte sind dabei physische Risken sowie transitorische Risken (Klimaschutz und Klimawandel) aber auch soziale und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). Parallel zum ESG-Rating, mit Fokus auf das Gesamtunternehmen, werden die einzelnen touristischen Projekte auf deren Taxonomiefähigkeit und -konformität von Sustainable Finance Experten geprüft, heißt es auf Anfrage des Börsianer Grün. Aus Sicht von Privatinvestoren ist es allerdings schwierig, in nachhaltigen Wintertourismus zu investieren – diese Firmen sind im KMU-Segment zu finden. Börsennotierte Seilbahnaktien sind etwa die Jungfrau-, Titlis-, Schilthorn- und Pilatusbahn in der Schweiz oder die Kur- und Verkehrsbetriebe Oberstdorf in Bayern. In Österreich sind die Seilbahnen meist im Besitz von Gemeinden und Tourismusverbänden, wobei auch regionale Banken wie etwa die Salzburger Raiffeisenlandesbank als Eigentümer der „Fremdenverkehrs GmbH“ mitmischt. Wer wirklich grüne Investments setzen will, sollte sich auf erneuerbare Energiegewinnung und Mobilitätslösungen für die letzte Meile konzentrieren, so Steiger.
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Grüne Projektfinanzierungen
Klimafreundliches Reisen wird den Gästen immer wichtiger, allerdings auf eher tiefem Niveau. Laut einer Umfrage unter mehr als 10.000 Wintergästen aus Österreich, Deutschland, Schweiz, Niederlande, UK, Belgien, Dänemark, Tschechien, Polen und Ungarn wird deutlich, dass bei neun Prozent der Klimawandel ein Grund ist, nicht in den Skiurlaub zu fahren. Die eigene finanzielle Situation (40 Prozent) und die gestiegenen Preise (58 Prozent) sind da derzeit weit bedeutendere Faktoren.
Dennoch haben die großen Tourismusveranstalter bereits erkannt, wo die Reise hingeht. Denn nicht nur die Kundenbedürfnisse, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern sich: Skiurlaube müssen nachhaltiger werden. „Wir stehen am Beginn eines Jahrzehnts der nachhaltigen Transformation. Dies gilt insbesondere für den Tourismus – einem Sektor, der auf eine intakte natürliche Umwelt und faire soziale Teilhabe angewiesen ist. Wir sehen das als Chance“, antwortet Sebastian Ebel, CEO der TUI AG, schriftlich auf eine Anfrage des Börsianer Grün. TUI verweist auf einige grüne Hotels, die als „TUI Blue“ vermarktet werden. Demnächst will man einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Für den Nachhaltigkeitspionier Christian Baumgartner sind das gute Signale, weil die Zeichen der Zeit erkannt wurden. Langsam tue sich auch etwas bei den großen Anbietern, sagt er, obwohl die großen Dampfer eben oft „schwerfälliger navigieren“. Die deutsche Initiative Futouris, in der sich mehrere Anbieter und Destinationen zusammenschließen, sei hier aber ein positives Beispiel.
Investments in Energie und Mobilitätslösungen
Bei allen positiven Entwicklungen darf man aber die Realität nicht verklären. Wir haben zwar Emissionsneutralität in unseren Klimaschutzplänen. „Aber wir müssen eingestehen, dass wir noch immer so viel Treibhausgas erzeugen wie 1990“, sagt Finanzwissenschaftler Steiger. Der Anteil der erneuerbaren Energie in der österreichischen Hotellerie und Gastronomie ist laut Statistik Austria von 36 Prozent im Jahr 2008 auf 54 Prozent im Jahr 2019 gestiegen. „In diesem Bereich muss weiter investiert werden“, sagt Steiger. Hier kann nicht nur mit Förderungen, sondern auch mit einfachen Genehmigungen noch einiges an Tempo gewonnen werden. Die Schweiz ist hier ein gutes Beispiel. Sie erleichtert den Bau von Photovoltaik und führt auf größeren Gebäuden sogar eine Solarpflicht ein. Doch auch mit effizienterer Beschneiung sei noch einiges an Energie zu sparen, sagt Steiger. Dabei geht es gar nicht nur um effizientere Schneekanonen. Intelligent eingesetzte Smart Data mit Sensoren kann zu einer viel effizienteren Beschneiung führen. Das lettische Start-up Snowision arbeitet etwa mit der Europäischen Weltraumagentur (ESA) an vielversprechenden Lösungen.
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