Geld soll nachhaltig wirken. So wollen es ethische Investoren, viele institutionelle Anleger und immer mehr Private. Deshalb zeichnete der Börsianer Grün 2024 nunmehr zum zweiten Mal die besten nachhaltigen Fonds aus dem DACH-Raum beim Börsianer Grün – ESG Fund Award aus. Wir zeigen dabei, welche nachhaltigen Fonds nicht nur in Sachen ESG-Bewertung, sondern auch hinsichtlich der Performance die Nase vorn haben. In Kooperation mit dem Fintech ESG Plus und mit dessen Cleanvest-Datenbank entwickelte der Börsianer Grün eine Formel, mit der die besten Fonds ausgesiebt werden können (hier gibt es die Methodik). Dabei wurden Fonds mit Nachhaltigkeitsstrategie – also jene, die sich gemäß der EU-Offenlegungsverordnung SFDR zu Artikel 8 oder Artikel 9 bekennen – unter die Lupe genommen. Leser und Investoren bekommen so einen Überblick über die nachhaltige Investitionswelt im DACH-Raum. Ab einem Rating von 85 aus 100 erreichbaren Punkten verleihen wir den Goldstatus. Diesen erreichen nur 2,5 Prozent der in unserer Datenbank analysierbaren 1.991 nachhaltigen Anlageprodukte. Neu dabei waren heuer auch Exchange Traded Funds, also ETFs, die in einer Sonderwertung analysiert wurden.
Diese Fonds bestechen in ESG und Performance
Rückblick: ESG Fund Award 2023
Vergangenes Jahr untersuchte der erste Börsianer Grün – ESG Fund Award 2023 noch alle im DACH-Raum zugelassenen Fondsprodukte und bewertete sie nach Nachhaltigkeitskriterien und Performance. Dabei schafften auch einige wenige Artikel-6-Fonds – die offiziell keine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen – den Sprung in die Bestenliste. Dies war damals wenig überraschend, weil der Markt sich hinsichtlich der Zuordnung der eigenen Produkte gemäß den EU-Vorgaben noch nicht sicher war. Das Thema Greenwashing war in aller Munde. Es gab einige Ab- sowie wenige Aufstufungen. Wieso machen wir das heuer nicht mehr? „Mittlerweile können wir sicher sein, dass jeder Fonds, der eine nachhaltige Strategie verfolgt, zumindest als Artikel 8 und jene Produkte mit höheren Ansprüchen als Artikel 9 deklariert sind“, erklärt Armand Colard, Geschäftsführer von ESG Plus. Und so sind wir dieses Jahr vorgegangen.
Bewertungskriterien
Der Börsianer Grün – ESG Fund Award analysierte die besten nachhaltigen Investmentfonds im Verhältnis 50:50 nach den Kriterien ESG und Performance. Ein ESG-Filter screente dabei die Investmentfonds nach den zehn nachhaltigen Kernkriterien von Cleanvest, die sich aus bis zu 97 thematischen Unterkriterien zusammensetzen. Hinzu kommt eine Bewertung der Dreijahresperformance mit dem Stichtag 31. März 2024.
Aufgrund der vollständigeren Datenlage wurden Retailtranchen gezogen, zudem wurden Eurotranchen präferiert, Spezialfonds wurden nicht berücksichtigt. Die ESG-Kriterien sind: keine Kinderarbeit, frei von Waffen, frei von Atomstrom, frei von Kohle, frei von Öl und Gas, keine Artenschutzverletzungen, keine Verletzung der Rechte von Indigenen und Frauen, grüne Technologien, Gesundheit und Bildung. Die untersuchten Anlageprodukte müssen eine Vertriebszulassung in Österreich, Deutschland oder der Schweiz haben und bereits länger als drei Jahre existieren sowie sich laut EU-Offenlegungsverordnung zu Artikel 8 oder Artikel 9 bekennen. Durch diese Auswahl kommen 1.991 durch Cleanvest aktuell bewertete Aktien-, Anleihen- und Mischfonds mit einem Gesamtvolumen von 1,832 Billionen Euro von 183 Assetmanagern in die Wertung. Die erstmals durchgeführte Sonderwertung der ETFs beinhaltet 266 Produkte mit einem Gesamtvolumen von 230 Milliarden Euro.
Außenseiter siegt bei Aktien
Im Vergleich zu den Ergebnissen von 2023 fällt heuer eine größere Asymmetrie im Zustandekommen des Gesamtergebnisses auf – hier gibt es die Gesamtliste aller Fonds. Waren vergangenes Jahr die Sieger sowohl bei Nachhaltigkeit als auch bei Performance im Spitzenfeld, zeigt sich heuer, dass eher die Dreijahresperformance bei den Top-Platzierten der Treiber für einen guten Gesamtscore war. Erwartungsgemäß fallen viele Fonds, die auf die Energiewende und Cleantech setzen, relativ weit zurück. Die raschen Zinsanhebungen haben viele Projekte verteuert und den Unternehmen zugesetzt, so die Mehrheitsmeinung der Analysten, wobei den Titeln Zukunftspotenzial gegeben wird. Eines wird aber auch deutlich: Die Nachhaltigkeitspunkte korrelieren auch dieses Jahr in einem gewissen Maße mit der Performance. Fonds mit 100 Punkten bei der Performance schneiden im überwiegenden Ausmaß auch bei der Nachhaltigkeit überdurchschnittlich gut ab. Man sieht also: Ohne ein gewisses Maß an Nachhaltigkeit gibt es heutzutage auch keine Performance.
Als Außenseitersieg könnte man den erstplatzierten Aktienfonds bezeichnen. Der Kotak Funds-India Midcap Fund (LU0511423229, 96 Gesamtpunkte) investiert in indische Midcaps. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Finanzdienstleistern und Technologien. Investments in Bildung und Gesundheit beflügeln dabei den ESG-Score. Der Ausschluss von Waffen und fossilen Energien sind Pluspunkte, die einen Nachhaltigkeitsscore von 93 ergeben. „Man findet nichts Negatives. Aus ESG-Sicht ist es aber ein ‚Light‘-Produkt, weil kein konkreter nachhaltiger Impakt erkennbar ist“, so Armand Colard. Ebenso verhält es sich beim Zweitplatzierten Diversified Growth Company QIC GCC Equity Fund (LU1589519591, 92,5 Gesamtpunkte), der im arabischen Raum investiert, einen Value-Ansatz verfolgt, aber beispielsweise fossile Brennstoffe ausschließt.
Tech-Werte als Kurstreiber
Wie der Name suggeriert, hat es der LBBW Global Warming (DE000A0KEYM4, 90 Gesamtpunkte) auf Technologien gegen den Klimawandel abgesehen. Wie sich zeigt, ist es aber in der Dreijahresperformance von Vorteil, das Thema umfassender zu denken. Denn die zuletzt abgestraften Cleantech-Werte kommen bei den Top-Positionen derzeit nicht vor. Fondsmanager Christoph Keidel von LLBW Asset Management sieht jedoch gegenüber dem Börsianer Grün gute Chancen bei Halbleiterherstellern wie Nvidia. „Leistungsfähige Chips sind entscheidend, wenn wir in Zukunft mehr erneuerbare Energien nutzen wollen. Dazu ein Zahlenbeispiel: Zwei Drittel des weltweit emittierten Kohlendioxids stammen aus dem Energiesektor, also aus der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle, um damit Energie zu produzieren.“
Was weiter auffällt: Sehr spezialisierte Fonds, etwa zum Thema Gesundheit, schneiden sehr gut ab. Ein Beispiel ist der Raiffeisen-Health and Wellbeing-ESG (AT0000714282, 86,5 Gesamtpunkte). Fondsmanager Leopold Salcher dazu: „Wir versuchen, das Thema ESG möglichst kongruent in unserem Investmentprozess abzubilden. Die Bereiche Onkologie, Neurologie und Immunologie stellen für uns die wichtigsten Teilbereiche des Healthcare-Sektors dar.
Dunkelgrüne Anleihen
Während in der Bewertung von 2024 der Aktienfonds weniger strenge Vorgaben bei den Nachhaltigkeitskriterien eher von Vorteil scheinen – unter den Top Ten waren acht Artikel-8-Fonds –, erklimmen bei den Anleihenfonds gleich vier „dunkelgrüne“ Produkte gemäß Artikel 9 die vordersten fünf Plätze. Der Erstplatzierte, der European Bond Opp. 2027 (FR0013221033, 97,5 Gesamtpunkte) von Anaxis Asset Management, verfolgt dazu eine klare ESG-Strategie „Wir haben unsere eigene Analyse entwickelt und wenden diese auf jedes Unternehmen in unseren Portfolios an. Unsere Ziele sind: Reduzierung des CO2-Fußabdrucks aller unserer Portfolios um durchschnittlich 7,5 Prozent pro Jahr über den Zeitraum von 2018 bis 2028. Wir haben die durchschnittlichen Emissionen unserer Portfoliobestände seit 2018 um mehr als 50 Prozent reduziert“, erklärt Thibault Destres, Fondsmanager und Head of Fixed Income, auf Anfrage des Börsianer Grün.
Allgemein fällt auf, dass High-Yield- und Emerging-Markets-Fonds weit vorn platziert sind. Eine Top-Performance (100 Performancepunkte) weist der Drittplatzierte, der AXA IM ACT US Short Duration High Yield Low Carbon (LU1199946242, 95 Gesamtpunkte), auf, der zu knapp 60 Prozent in Unternehmensanleihen und zu mehr als 40 Prozent in Derivate investiert. Interessant: Der Pareto SICAV – Pareto ESG Global Corporate Bond H EUR Cap (LU1199946242, 92,5 Gesamtpunkte), Nummer fünf unter den Anleihenfonds, zeigt ein gutes Nachhaltigkeitsscoring von 97 Punkte.
Auffallend: Der dänische Energiekonzern Orsted führt hier zwar als führendes Transformationsunternehmen zu ESG-Pluspunkten, aber auch zu geringen Abstrichen, weil ein Teil des Geschäfts noch an fossilen Energieträgern hängt. „Firmen wie Orsted zeigen, wohin die ESG-Reise künftig gehen sollte. In allen konventionellen Sektoren braucht es Vorreiter wie diesen, um eine grüne Transformation hin zu einer klimaschonenden Wirtschaftsweise zu ermöglichen. Leider sind Titel wie Orsted noch sehr rar, daher braucht es das Engagement und den Druck vieler privater und institutioneller Investoren, um hier mehr Bewegung in die Transformation ganzer Sektoren zu bekommen“, erklärt Colard von ESG Plus.
Mischfonds setzen auf Aktien
Durchwegs Artikel-8-Fonds finden sich untern den Top-Platzierten der Mischfonds. Insgesamt erreichen sieben Fonds eine Gesamtpunktezahl von mehr als 85 und somit den Goldstatus des Börsianer Grün. Auf Platz eins der Mischfonds landet der Spängler Privat: Flexibel (AT0000A18WC7, 94 Gesamtpunkte). Das Anlageprodukt aus der ältesten Privatbank Österreichs zielt auf den langfristigen Vermögensaufbau ab. Es wird in ein breitdiversifiziertes internationales Large-Cap-Portfolio investiert, erklärt Johannes Rosenstatter, Leiter des Asset-Managements der Spängler Bank AG. Die Strategie: „Die Unternehmen müssen einen positiven Trend, eine gute Qualität sowie eine attraktive Bewertung aufweisen.“ Ein Erfolgsgarant bei der Performance war zuletzt die hohe Aktienquote von 99 Prozent. Bei der Nachhaltigkeit sorgt eine spezielle konfessionelle Auslegung des Begriffs ESG für ein gutes Rating. Der Fonds orientiert sich an den Richtlinien für ethische Geldanlagen der österreichischen Bischofskonferenz. In der Bewertung kommt er so auf 91 Nachhaltigkeitspunkte – sehr gut, allerdings nicht absolute Spitze in Sachen Nachhaltigkeit. Innerhalb der Lieferketten gibt es vereinzelte Problemfälle beim Schutz indigener Rechte sowie einen Titel, der bei Gleichstellung von Frauen negativ auffällt.
Unter den Top-Performern (100 Performancepunkte) der Mischfonds findet sich der Arabesque SICAV – Global ESG Momentum Flexible (LU1023698746, 93 Gesamtpunkte) wieder. Investmentschwerpunkte sind Technologie, Gesundheitswesen und Industriewerte. Colard von ESG-Plus: „Tendenziell haben diesmal Mischfonds mit sehr hohen Aktienquoten die Nase vorn, weil sie mit Performance punkten konnten.“
Zehn goldene ETFs
2024 hat der Börsianer Grün – ESG Fund Award das erste Mal Exchange Traded Funds (ETF) unter der gemeinsamen Formel Nachhaltigkeitsbewertung und Dreijahresperformance bewertet. Auch hier wurde die Latte für eine Goldbewertung bei einer Gesamtpunktezahl von 85 gelegt. Von 268 Titeln erreichten zehn den Goldstatus des Börsianer Grün – ESG Fund Award. Hier ist die Liste der ETFs.