Anleger können Unternehmen zur Nachhaltigkeit zwingen. Ihr Einfluss ist größer als viele denken, ebenso wie die Bereitschaft von Unternehmen, sich diesem Einfluss zu beugen.
Yes we change – die grüne Macht der Investoren
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Nachhaltigkeit ist gut, Engagement aber noch besser. Investoren, denen Umwelt und Soziales am Herzen liegt, können ihre Macht ausspielen und die Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit drängen. Das Engagement von kritischen Investoren nimmt zu, Konzerne müssen sich vermehrt auf harte Diskussionen einstellen.
Vor wenigen Jahren noch waren es Ausnahmesituationen: Umwelt- oder Menschenrechtsaktivisten demonstrierten vor Konzernzentralen und erhoben ihre Stimmen in Hauptversammlungen. Der österreichische Öl- und Gaskonzern OMV AG kennt das nur zu gut. 2002 verließ der Konzern nach massivem Druck von Menschenrechtsorganisationen den Sudan, wo er sechs Jahre lang in der Ölsuche tätig war. Ölkonzerne verlängerten den Krieg im Sudan, lautete der Vorwurf. Profite anderer, mit Blut bezahlt. In späteren Jahren kam die OMV durch Klima- und Umweltaktivisten unter Druck, Greenpeace besetzte sogar ein Versorgungsschiff des Konzerns vor der Küste Neuseelands. Heute versucht die OMV AG ihr Geschäftsmodell auf Klima-fit umweltfreundlich zu trimmen – nicht zuletzt, um kritische Investoren zu besänftigen.
Engagement von Investoren ist heutzutage bei weitem nicht nur öffentlicher Protest von Aktivisten. Die Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit verläuft auf vielen Ebenen und ist für eine Reihe von Unternehmen zu einem ständigen Dialog geworden. „Unser Aufsichtsrat nimmt Kontakte zu kritischen Anlegern auf, berät sich mit ihnen und trägt deren Vorschläge für mehr Nachhaltigkeit ins Unternehmen“, beschreibt Stefan Dörfler, Finanzvorstand der Erste Group Bank AG, den Engagement-Prozess der Bank in Zentral und Osteuropa . Aber auch Investor Relations und Rechtsabteilung sind mit dabei, wenn es um Änderungen im Unternehmen geht, die positiv auf Klima, Umwelt und Gesellschaft wirken sollen. Nur so könne die Erste Group-Aktie in Nachhaltigkeits-Fonds verbleiben.
Die Welt verändern
Für die großen, multinationalen Konzerne aber sind Einzelengagements von Anlegern wenig erfolgversprechend. Da müssten schon die großen Investorengruppen oder Fonds ihre Stimmen erheben. „Die großen Asset Manager könnten die Welt in wenigen Jahren verändern“, sagt Stuart Forbes, Co-Gründer von Rize ETF und Nachhaltigkeits- sowie Engagement-Experte. Doch sie täten es viel zu selten, bedauert er und nennt ein Beispiel: Coca Cola zähle zu den größten Plastikmüll-Produzenten der Welt. Doch als der CEO von Investoren darauf angesprochen worden sei, soll er nur gesagt haben: „Die Kunden wollen Plastikflaschen“ – und nichts geschah. „Der Großinvestor Blackrock hat einfach nichts getan“, kritisiert Forbes. Aber gerade diese Großinvestoren hätten die Möglichkeit, eine Veränderung von „schmutzigen“ Konzerne herbeizuführen.
Der Ruf kommt schnell in Gefahr
Was hätte Blackrock also tun können? „Die Coca Cola-Aktien verkaufen und das Unternehmen öffentlich zur Rede stellen“, sagt Forbes. Dieser Druck kann viel bewirken. Bei Coca Cola folgte nach der öffentlichen Empörung 2020 ein längerer Sickerprozess im Management. Jetzt kommen Ankündigungen, dass ein Teil der Plastikverpackungen aus recyceltem Material hergestellt werden sollen.
Zahlen & Fakten
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Marc-Olivier Buffle, Senior Product Manager für Nachhaltigkeits- und Themen-Fonds bei Pictet Asset Management aus der Schweiz, steht immer wieder vor diesem Dilemma: verkaufen oder dem Unternehmen noch Zeit geben, um nachhaltiger zu werden. „Die Änderungen wirken nicht von heute auf morgen. Da darf man nicht naiv sein“, sagt er im aktuellen Climate-Action-Podcast des Börsianer Grün. Oft brauchen die Unternehmen Jahre, um ihre Strategien umzustellen. Buffle ist daher der Überzeugung, dass kritische Investoren langfristig in einem Unternehmen veranlagt sein sollten. Nur so sei eine Veränderung auch wirklich zu bewirken. Pictet Asset Management habe das bei einem gut geführten und erfolgreichen britischen Wasserunternehmen beobachten können. Das Unternehmen habe einen kleinen Bereich gehabt, in dem es Teile für die Rüstungsindustrie erzeugt habe. „Das hat uns nicht gefallen und wir haben das immer wieder angesprochen“, erklärt Buffle. Nach mehreren Jahren erst gelang der Verkauf der Rüstungs-Zuliefersparte – mit spürbarem Erfolg für das Unternehmen. „Die Bewertungen an der Börse sind gestiegen, die Multiples haben zugenommen und alle waren zufrieden“, erzählt der Manager.
Aber auch das Gegenteil kann passieren. Manager, die die Kritik von Investoren nicht hören wollen und einfach ignorieren. „Dann verkaufen wir die Aktien“, stellt Buffle klar.
Vernetzte Investoren
Pictet Asset Management versucht in seinen Investments meist gewichtige Anteile von Unternehmen zu erwerben. „Wir sind zwar nur eine Stimme, aber meist eine der größten zehn bis 20 Anleger in einem Unternehmen“, betont der Fonds-Manager. Aber auch Pictet versuche, sich mit anderen kritischen Investoren zu verbinden. Stakeholder-Engagement sei das Ziel, also die Zusammenarbeit mit Kunden und anderen großen Anlegergruppen. Das erhöhe den Druck und die Sichtbarkeit. „Engagement ist der einzige Weg, bei dem positiver Impact in Unternehmen machbar ist“, gibt sich Buffle überzeugt.
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Sandra Carlisle, Head of Sustainability bei Jupiter Asset Management, macht auch kleinen Investoren Mut, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren. „Bei der erfolgreichen Beeinflussung von Unternehmen dreht sich alles um Beharrlichkeit“, sagt sie. Was allerdings zähle, sei der Zugang zu Vorstand, Geschäftsleitung, Investors Relations oder Nachhaltigkeitsexperten. Und wenn Anleger ist der Lage seien, dem Unternehmen zu erklären, dass Nachhaltigkeit wirtschaftlich sinnvoll sei, könnten sie mit ihrem Anliegen durchaus Erfolg haben. „Der Schlüssel ist die Glaubwürdigkeit des Investors“, sagt Carlisle. Der Dialog und die Zusammenarbeit in Investorenkoalitionen aber verstärken die Möglichkeiten der Einflussnahme. In größeren Gruppen oder als aktive Investoren könne man mit der Entscheidung, ein bestimmtes Wertpapier nicht zu besitzen ein starkes Signal an ein Unternehmen senden.
Engagement hilft, Unternehmen wirklich auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Investoren – und hier vor allem die Großanleger – müssen aber auch den Mut haben, öffentlich zu erklären, warum sie Aktien von gewissen Unternehmen, abstoßen oder erst gar nicht angreifen. Dann ist die Wirkung am größten.
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