
Klimakatastrophen, Blackouts, KI: Was Versicherer beunruhigt
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Überschwemmungen dramatischen Ausmaßes in Deutschland im Sommer 2021, schwere Unwetter und Verwüstungen in Kärnten in diesem Sommer und ein verheerender Hurrikan in Florida oder die Sabotage des Deutschen Bahnsystems. All diesen Ereignissen ist eines gemeinsam: Sie passierten völlig unerwartet und waren nicht kalkulierbar. Ein Horror für Versicherungen. Und diese Gefahren sind bei weitem nicht die einzigen unvorhersehbaren Risiken, mit denen sich die Versicherungsbranche derzeit auseinandersetzen muss.
Der rasche Wandel der Technologien, die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder häufiger werdende Cyberattacken und deren mögliche Absicherung werden daher in der weltweiten Versicherungsbranche heftig diskutiert. „Emerging risks“ nennen die Assekuranzen diese neuen, nur schwer quantifizierbaren Gefahren.
„Sie können erhebliche Auswirkungen auf die Versicherungsseite und die Kapitalanlagen haben“, stellt die Munich Re in ihrem Report zu emerging risks fest. Auch der Schweizerische Versicherungsverband SVV hat eine Arbeitsgruppe mit dem Thema betraut. Sie präsentiert regelmäßig die aktuellen, neuen Erkenntnisse. Die große Frage, die Versicherungen, aber auch deren Kunden, beim Thema „emerging risks“ beschäftigt lautet: Können solche unvorhersehbaren Risiken versichert werden? Und wenn ja, in welchem Volumen und zu welchen Preisen?
Stürme, Fluten, Lawinen
Schäden aus Naturkatastrophen sind derzeit wohl die am heftigsten diskutierten Fälle. Welch dramatischen Auswirkungen zum Beispiel ein Hurrikan haben kann, zeigt das Beispiel des „Hurrikan Ian“, der kürzlich im Osten der USA wütete. Das Analysehaus RMS von Moody`s schätzt die Schäden auf bis zu 80 Milliarden Us-Dollar. Das bringt eine Reihe von dort ansässigen Versicherungsgesellschaften in schwere finanzielle Nöte. Assekuranzen in Deutschland, Österreich oder Schweiz sind daher äußerst vorsichtig, wenn es um die Absicherung von Naturkatastrophen geht. In der üblichen Gebäude- oder Haushaltsversicherung sind solche Leistungen nicht enthalten.
Kurt Svoboda, Vorstand für Finanzen und Risiko der in Wien börsennotierten Uniqa Insurance Group AG, betont in der neuen Folge des Climate-Action-Podcasts von Börsianer Grün, dass Naturkatastrophen zumindest teilweise versicherbar sind. Rund 70 Prozent der österreichischen Haushalte verfügen über einen Katastrophenschutz. Allerdings: „In der Regel sind die Versicherungssummen sehr tief. Wir reden hier von 10.000 bis 50.000 Euro“, sagt Svoboda. Das mag für manche nach viel Geld klingen. Wenn aber der Keller überflutet sei, seien 50.000 Euro ein Tropfen auf den heißen Stein“, erklärt der Uniqa-Vorstand. Auch in Deutschland oder der Schweiz sind die Deckungen für Naturkatastrophen nicht viel besser.

Zahlen & Fakten
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Die Versicherungssummen zu erhöhen, wird allerdings nicht immer funktionieren. Denn Versicherungen meiden zu hohe Risiken und ziehen Grenzen ein. „Es kann sein, dass in der Folge von vielen und/oder großen Schäden die bestehenden Polizzen mit Präzisierungen und allenfalls Ausschlüssen aktualisiert werden, die die Abdeckung bei einigen Risiken ausschließen“, stellt Gabor Jaimes, Fachexperte Sach- und Cyberversicherung im Schweizerischen Versicherungsverband (SSV) fest.
Und wenn ein Versicherungsschutz möglich ist, hängen die Prämien davon ab, in welchem Risikogebiet jemand wohnt. Für ein Haus der Donau wird ein Katastrophenschutz teurer sein als für eines am Berg. In den Alpen kostet Lawinenschutz mehr als im Flachland.
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Grenzen des Versicherbaren
Gegen die Schäden aus Naturkatastrophen kann man sich zumindest teilweise versichern, gegen großflächige Blackouts aber gar nicht. „Die Folgeschäden daraus sind nicht abschätzbar“, begründet Kurt Svoboda die nicht mögliche Versicherungsdeckung für Blackouts. Der Schweizerische Versicherungsverband unterscheidet nach den Gründen für das Blackout. „In den Versicherungspolizzen ist in der Regel festgehalten, welche Schäden im Fall eines Blackouts gedeckt sind“, sagt Gabor Jaimes. Wenn aber eine Strommangellage einen längeren Ausfall verursache, könnten die Folgeschäden nicht gedeckt werden. „Die Zufälligkeit des Risikos ist hier nicht gegeben“, lautet Gabor Jaimes Begründung.



Kritisch ist die Lage auch für Schäden aus Cyberkriminalität. Aufgrund der dramatischen Zunahme von Angriffen aus dem Netz sind die Prämien für solche Versicherungen laut Kurt Svoboda in jüngster Zeit um 40 bis 50 Prozent gestiegen. Auch die Selbstbehalte sind in die Höhe geschnellt. International wird in der Branche daher diskutiert, ob Cyber-Risiken wegen der raschen Veränderungen der Technologien überhaupt noch versicherbar sind.
Noch gar nicht versicherbar sind derzeit auch die Folgeschäden, die durch Fehler in Robotern oder autonomen Fahrsystemen ausgelöst werden. Was die Versicherungswirtschaft dabei besonders beschäftigt, ist die Frage, wer für solche Schäden haftet. Die rasche Veränderung in der Automobilindustrie etwa hat einen intensiven Diskussionsprozess in der europäischen Versicherungsindustrie ausgelöst. „Haftet der oder die Fahrer*in? Haften die Automobilbauer, die Programmierer?“, lauten die Fragen. Ähnlich gelagert sind die Probleme bei Schäden durch Roboter in Industrieunternehmen. Allesamt Fragen, die bei weitem noch nicht geklärt sind.
Ruf nach besserer Vorsorge
Da die vielfältigen „emerging risks“ nicht durch die Versicherer allein abzudecken sind, appelliert die Branche an die Selbstverantwortung der Menschen und an den Staat, der Kooperationen unterstützen sollte. Seit Jahren wird über Lösungen diskutiert, bei denen Staat, Versicherungswirtschaft und Private für den Fall von Großschäden gemeinsam Vorbereitungen treffen sollten. Die Privaten über einen verpflichtenden Katastrophenschutz, Versicherungen und Staat zum Beispiel über eine Poollösung, also dem Aufbau eines gemeinsamen Katastrophenfonds. Und Selbstverantwortung ist „Die Investitionen jetzt, sind die Risikoabsicherung der Zukunft“, bringt es Uniqa-Manager Kurt Svoboda auf den Punkt.
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