„Auch eine schwere Tür hat nur einen kleinen Schlüssel nötig“, meinte der Schriftsteller Charles Dickens. Auf die Klimakrise umgelegt heißt das: Suchen wir uns die wirklich großen Verursacher von CO2-Ausstoß und versuchen hier an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Die Stahlherstellung ist so ein Thema. Das zeigen die Zahlen. Derzeit entstehen jährlich in den weltweiten Fabriken etwa drei Milliarden Tonnen Stahl. Sie verursachen acht Prozent der weltweiten Treibhausgase. Im Schnitt – denn in Österreich liegt der Anteil der Stahlproduktion an den Gesamtemissionen beispielsweise sogar bei 15,3 Prozent.
Erneuerbare Energie als Schlüssel
Der ehemalige Banker Christoph Zinsser ist einer, der dafür verantwortlich sein will, dass dieser Anteil bald sinkt. Als Head of Project Finance von H2 Green Steel ist er derzeit am Entstehen des weltweit größten grünen Stahlwerks beteiligt. In Nordschweden entsteht buchstäblich auf grüner Wiese ein gewaltiges Werk, das im Jahr 2025 2,5 Millionen Tonnen grünen Stahl und in der zweiten Ausbauphase 2030 bereits 5 Millionen Tonnen grünen Stahl erzeugen wird – die CO2-Bilanz liegt dann nahe null. Das liegt daran, weil statt Kohle grüner Wasserstoff das Eisenerz zum Schmelzen bringt. Im aktuellen Podcast von Börsianer Grün erklärt er, dass Nordschweden wegen der günstigen und reichlich verfügbaren grünen Energie aus Wasserkraft und auch an Eisenerz der ideale Ort dafür ist, um zu Marktpreisen produzieren zu können.
Die Zukunft der Stahlerzeugung
Grüner Stahl ist ein aktuelles Thema, denn auf Stahl kann nicht verzichtet werden – etwa bei der Infrastruktur oder bei der Energiewende. So präsentierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Afrika-Klimagipfel in Nairobi Kooperationsvorhaben zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Kenia. Der deutsche Industriekonzern Thyssen-Krupp AG hat bereits im Februar den Anlagenbauer SMS mit dem Bau einer wasserstoffbetriebenen Direktreduktionsanlage und zwei Einschmelzer beauftragt. Das Investitionsvolumen beläuft sich dabei auf etwa zwei Milliarden Euro. In der Schweiz arbeitet Stahl Gerlafingen an CO2-armer Stahlherstellung.
CO2-frei bis 2050
Und bei der österreichischen Voestalpine AG erfolgte gerade erst der Spatenstich zur Errichtung je eines Elektrolichtbogenofens an den beiden Standorten in Linz und Donawitz. Der Effekt für das kleine Österreich ist beachtlich. „Allein durch die teilweise Umstellung auf die Elektrolichtbogentechnologie an unseren beiden Standorten in Linz und Donawitz reduzieren wir ab 2027 die österreichischen CO2-Emissionen um etwa fünf Prozent“, verkündet Herbert Eibensteiner, CEO der Voestalpine AG. Die Investitionssumme beträgt 1,5 Milliarden Euro, das Ziel ist eine Emissionseinsparung von 30 Prozent. Doch das ist erst der Beginn eines Stufenplans, um bis 2050 komplett CO2-freien Stahl erzeugen zu können.
Zwei Wege zu grünem Stahl
Einerseits mittels eines Hochofens, basierend auf Koks – oder in Zukunft auch Wasserstoff – als Reduktionsmittel, andererseits mittels eines Lichtbogenofens (EAF – Electric Arc Furnace), der das Erz über die Wärmestrahlung von elektrischen Lichtbögen zum Schmelzen bringt.
Zahlen & Fakten
1.9
Höherer Preis für grünen Stahl
Die Umstellung auf eine grüne Stahlerzeugung erfordert Investitionen in Milliardenhöhe. Für das Werk von H2 Green Steel in Schweden sind beispielsweise Investitionen von sechs Milliarden Euro veranschlagt. Investitionen, die sich langfristig auf jeden Fall lohnen, wie Zinsser betont. Denn der Markt für grünen Stahl ist zweifellos vorhanden, da die Abnehmer – etwa die Autoindustrie – ihre Dekarbonisierungsziele im Blick haben müssen. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Pro PKW werden etwa zwei Tonnen Stahl benötigt. Mit Mehrkosten von einigen hundert Euro pro Tonne Stahl ist dies ein vergleichsweise günstiger Weg, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, insbesondere da keine Anpassungen an den Produktionsstraßen vorgenommen werden müssen. Eine Studie der Boston Consulting Group legt nahe, dass es in den kommenden Jahrzehnten zu einem Nachfrageüberschuss bei grünem Stahl kommen dürfte.
Grüner Wasserstoff als Basis
Natürlich geht es auch darum, die Methoden zur Herstellung von grünem Stahl in anderen Industrien zu nutzen. Zentral dabei ist aus erneuerbaren Energiequellen gewonnener grüner Wasserstoff. Eine aktuelle Studie des Unternehmensberaters Deloitte beschreibt das enorme Potenzial. Der Einsatz von grünem Wasserstoff kann bis 2050 weltweit Einsparungen von rund 85 Gigatonnen CO2 bringen. Zum Vergleich: Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) verursacht der Straßenverkehr rund sechs Gigatonnen pro Jahr. Hier sind einige Punkte der Studie zusammengefasst.
- Investitionsbedarf: Zur Erreichung der CO2-Einsparungen sind Investitionen von 9,4 Billionen US-Dollar für die Wasserstoffversorgungskette notwendig.
- Der Grüner Wasserstoffmarkt kann bis 2050 zwei Millionen Jobs schaffen.
- Für umfassende Versorgungssicherheit sind neue Tankschiffe sowie der Ausbau der Häfen notwendig.
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„Der Einsatz von Wasserstoff, hergestellt aus erneuerbaren Energien, ist für die rasche Klimawende ein wichtiger Schlüssel. Mit 42 Prozent prognostizierter Nachfrage aus der Industrie und 36 Prozent Nachfrage aus dem Verkehrssektor wird es laut unseren Berechnungen in den kommenden Jahrzehnten besonders emissionsintensive Abnehmer geben“, erklärt Christoph Obermair, Sustainability Lead und Partner bei Deloitte Österreich. In den USA hat mit dem Inflation Reduction Act (IRA) bereits vor einem Jahr die massive staatliche Subventionierung des Sektors begonnen. Kann Europa noch mithalten? Christoph Zinsser von H2 Green Steel meint: ja. Allerdings müsse auch auf dem alten Kontinent der öffentliche Sektor stärker mitwirken. Etwas mehr Pragmatismus wäre gut, meint er.