1. Worum geht es?
Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive, auch „EU-Lieferketten-Richtlinie“ oder „CS3D“ oder „CSDDD“ genannt, ist – so gut wie – da. Die Einigung im Trilog ist fix, der finale Text wurde veröffentlicht. Bei einzelnen Mitgliedstaaten wächst aber Widerstand. Wenn die CS3D in dieser oder ähnlicher Form beschlossen wird, erweitert sich der Pflichtenkreis für österreichische (auch und gerade börsennotierte) Unternehmen in zwei bis drei Jahren massiv.
2. Was regelt die CS3D?
Ziel ist, negative Auswirkungen von Unternehmen in Bezug auf Umwelt und Menschenrechte zu mindern oder überhaupt zu verhindern. ESG-Werte sind nicht nur im eigenen Unternehmen zu schützen, sondern auch bei den unmittelbaren Vertragspartnern und entlang der kompletten Vertragskette davor und danach. Erfasst sind damit nicht nur direkte Vertragspartner, sondern auch deren Vertragspartner und deren Vertragspartner und deren Vertragspartner …; und damit die gesamte Wertschöpfungskette. Wer sich nicht daran hält, riskiert Verwaltungsstrafen bis zu 5 % des weltweiten Umsatzes („naming und shaming“ auf der Homepage der Behörde inklusive) und Schadenersatzforderungen.
3. Wer ist erfasst?
Unmittelbar erfasst sind Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern und einem Umsatz über 150 Millionen Euro. Für Unternehmen in „High Impact“-Branchen gelten niedrigere Schwellenwerte von 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Umsatz. „High Impact“-Branchen sind z.B. Textilien, Landwirtschaft, Food & Beverages, aber – gänzlich neu – auch Bau („construction“). Ohnehin sind die Schwellenwerte aber letztlich irrelevant: Entweder Unternehmen sind gesetzlich erfasst, weil sie die Schwellenwerte überschreiten, oder sie sind vertraglich erfasst, weil sie in unmittelbarer oder mittelbarer Vertragsbeziehung zu gesetzlich erfassten Unternehmen stehen, die ihre Pflichten weitergeben müssen.
Climate Fact
Wer fällt in die CS3D?
4. Ist auch die Finanzbranche betroffen?
Das beantwortet die CS3D mit einem klaren „Jein“. Finanzdienstleister wie Banken oder Versicherungen sind gesetzlich zwar hinsichtlich ihrer eigenen „Zulieferer“ (z.B. Rechenzentren) erfasst, aber nicht hinsichtlich ihrer eigenen Finanzprodukte. Konsequent durchgehalten wird das aber nicht, weil die CS3D gleichzeitig festlegt, dass Finanzdienstleister auch auf ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen bezogen zum Beispiel die OECD Guidelines for Mulinational Enterprises (LINK) zu berücksichtigen haben werden.
5. Woher bekomme ich die nötigen Daten?
Niemand kann Compliance entlang seiner kompletten Wertschöpfungskette garantieren. Das ist aber auch nicht nötig: Gefordert ist eine bestmögliche Identifikation und Steuerung negativer Auswirkungen, also ein „Bemühen“; und nicht, dass negative Auswirkungen von vornherein nicht auftreten. Grundlage für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten sind robuste Daten. Dazu können öffentlich verfügbare Quellen dienen, wie Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen oder Berichte aus der Zivilgesellschaft, wie der OECD oder der UN. Das wird aber häufig nicht reichen. Deshalb ist es zusätzlich nötig, unmittelbar von den eigenen Vertragspartnern Informationen zu erhalten. Dafür braucht es einen rechtlichen Rahmen, der unter anderem regelmäßige (z.B. jährliche) und einzelfallbezogene (z.B. bei Kenntnis von negativen Auswirkungen) Informationspflichten vorsieht.
6. Vorbereitung auf CS3D ist Vertragsarbeit
Das zeigt bereits, weshalb die Vorbereitung auf die CS3D im Wesentlichen eines ist: Vertragsarbeit. Verträge mit Lieferanten müssen überarbeitet werden. Zukünftig müssen diese nicht nur geschützte ESG-Werte beinhalten. Sie müssen auch zivilrechtliche Pflichten umfassen, wie z.B. die oben genannten Informations- und Steuerungspflichten. Kurz gesagt: Die Verträge müssen sicherstellen, dass die Umsetzung der CS3D effektiv gewährleistet ist: und zwar nicht nur gegenüber dem eigenen unmittelbaren Vertragspartner, sondern gegenüber der gesamten Wertschöpfungskette.
7. Was jetzt?
Die CS3D ist ein völlig neuartiges „Gesetz“. Die Liste an Fragen ist genau so lang wie die Liste an Pflichten. Genau deshalb ist die CS3D nicht nur die größte Herausforderung, sondern auch die größte Chance in der ESG-Regulierung der letzten Jahre: Wie sich Unternehmen jetzt darauf vorbereiten, wird bestimmen, wie sie in zwei Jahren mit den neuartigen Regeln umgehen – und ob sie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern haben. Insgesamt geht es um einen pragmatischen und konstruktiven Zugang, der viel damit zu tun haben wird, was Marktstandard ist. Es braucht eine konstruktive Herangehensweise, einen erfahrenen Blick und ein Vorgehen mit Augenmaß. Die Pflichten sind bewältigbar. Wichtig ist es, aus der Vielzahl an neuen Vorgaben zu destillieren, was man konkret daraus machen kann.
Bernhard Müller ist Partner bei Dorda Rechtsanwälte und Leiter der Praxisgruppe öffentliches Recht. Christian Richter-Schöller (ist Rechtsanwalt und Co-Leiter der Sustainablity Group. Ihr CS3D Knowledge Hub www.cs3d.eu bietet weiterführende Informationen und unter anderem auch Vorlagen für einen Supplier Code of Conduct.