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BRENDAN MCDERMID / REUTERS / picturedesk.com
Von Irmgard Kischko
Das Milliardengeschäft mit grünen Ratings
Ein „grünes Pickerl“ auf Investmentfonds oder Aktiengesellschaften soll Anlegern versichern: „Sie können ein gutes Gewissen haben. Sie investieren nachhaltig“. Doch für wie viel Nachhaltigkeit stehen die „grünen Pickerln“ der Ratingagenturen? Sie verdienen Milliarden mit einem Geschäft, das sich auf einem schmalen Pfad zwischen Transparenz und Greenwashing bewegt.
April 2022
Die Volkswirtin arbeitet seit 2007 bei der Schweizer Ratingagentur Inrate und ist inzwischen Geschäftsführerin des Unternehmens. Sie kümmert sich intensiv um die Weiterentwicklung der Impact-Ratingmethode und referiert zu nachhaltigen Finanzen an der Hochschule Luzern.
Der Leiter der Ethik-Fonds der Investmentgesellschaft Amundi beschäftigt seit mittlerweile 15 Jahren mit Nachhaltigkeit. Bei Amundi greift er auf langjährige Erfahrung mit Nachhaltigkeit zurück. Der Ethik-Fonds existiert seit gut 35 Jahren.

„Nachhaltigkeitsratings sind etwas Wunderbares. Sie bieten eine Basis, um über ökologisches und soziales Agieren von Unternehmen Auskunft zu bekommen“. Jörg Moshuber sagt das nicht nur aus tiefster Überzeugung, sondern auch aus langjähriger Erfahrung. Als leitender Portfolio-Manager der Amundi Ethik-Fonds hat er seit Langem mit Ratings zu tun. Er kennt auch die Tücken der Ratings – vor allem die, die in den vergangenen Jahren das Greenwashing von Finanzprodukten und Unternehmen enorm verstärkt haben. „Nachhaltige Ratings sind für Unternehmen mit Furcht verbunden“, sagt er im Gespräch mit dem Börsianer Grün. Es geht um die Sorge, hoffentlich nicht des Greenwashings bezichtigt zu werden.

Das Milliardengeschäft mit grünen Ratings





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Das liegt zum einen daran, dass die Beurteilung, ob Unternehmen grün und sozial sind oder nicht, zu einem Milliardengeschäft geworden ist. Große und viele kleinere Ratingagenturen rund um den Globus reißen sich darum, einen Teil dieses rasch wachsenden Geschäfts zu bekommen. Da wird manchmal auch über kleinere Mängel in den Unternehmen hinweggesehen oder sie werden erst gar nicht entdeckt. Denn die Beurteilung von nachhaltigem und sozialem Verhalten ist hoch komplex. Globale Arbeitsteilung, lange Zulieferketten und rasch wechselnde politische Verhältnisse machen Ratings extrem schwierig.

„Ich verstehe, dass Anleger verzweifeln“

„Ich verstehe, dass Anleger verzweifeln“, betont Moshuber. Sein Rat daher: Wenden Sie sich an Bankberater. Sie sollten die Ratings erklären können. Das setzt voraus, dass sie wissen, wie die jeweiligen Ratings zustande kommen. Am einfachsten ist die Frage, ob es Ausschlusskriterien gibt. Sind Unternehmen, die Waffen produzieren, mit fossilen Energien handeln, Atomkraftwerke betreiben, grundsätzlich aus dem als „grün“ oder „ethisch“ bezeichneten Fonds ausgeschlossen? Schon hier beginnen die ersten Probleme. Viele Fonds schließen zwar fossile Energien aus, nehmen aber Unternehmen, die auf „einem guten Weg in Richtung Ausstieg aus Fossilen sind“, trotzdem auf. Sie begleiten und finanzieren den Transformationsprozess.

zahlen und fakten

Zahlen & Fakten

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zahlen und fakten

Prozent aller inländischen Investmentzertifikate trugen 2021 eine ESG-Bewertung, wurden also ökologisch und sozial positiv bewertet, geht aus einer Analyse der Oesterreichischen Nationalbank hervor. 2019 waren es erst sieben Prozent.

Darauf schauen Ratingagenturen

Meist schicken große Agenturen jährlich detaillierte Fragebögen an Unternehmen, in denen diese ihre ökologischen und sozialen Bemühungen bekannt geben. Vor allem große Konzerne wissen dank Rechtsberatung sehr genau, wie sie diese Bögen ausfüllen müssen, um gut dazustehen. Das kann dann Unternehmen wie Amazon, Google und Apple erstklassige nachhaltige Ratings einbringen. Große, weltweit agierende Fondsgesellschaften, verlassen sich daher nicht auf die externen Ratingagenturen allein. Sie beschäftigen Analysten in vielen Ländern, die die Unternehmen vor Ort genau unter die Lupe nehmen. „Das hat Vorteile: Es passiert nicht nur einmal pro Jahr, sondern viel öfter. Und damit können wir Veränderungen im ökologischen und ethischen Verhalten von Unternehmen auch rascher erkennen“, erklärt Moshuber. 

Wenn ein Unternehmen auf eine von ihm ausgelöste Umweltverschmutzung umgehend reagiert, kann es im nachhaltigen Fonds aufgenommen werden, auch wenn die externen Ratings das noch nicht zulassen. Amundi verarbeitet für die Beurteilung von Unternehmen daher die Ratings von insgesamt 15 Agenturen und die Fundamentalanalysen seiner Analysten rund um die Welt. Was dabei auffällt: Ein nachhaltiges und soziales Rating in Europa unterscheidet sich wesentlich von einem in den USA oder Asien. „In die Beurteilungen fließen immer die eigenen Vorstellungen von Ökologie und Sozialem ein“, sagt Moshuber. Arbeitsrecht in den USA ist anders als in Europa, Umweltstandards in Asien unterscheiden sich von jenen in Europa. Europäische Ratings sind die strengeren und für Anleger hierzulande wohl die Besseren.

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Nur das Managementsystem zu beurteilen, ist Humbug.

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Regina Schwegler, Geschäftsführerin von Inrate

Hilfreich ist ein Blick auf die Beurteilung durch kleinere Agenturen. Diese schauen mehr auf die Wirkung, also den Impact der Unternehmenstätigkeit. Dazu zählt die Schweizer Ratingagentur Inrate. „Am Anfang klären wir jene Fragen, bei denen der Markt versagt. Also: Wie groß ist der CO2-Footprint des Unternehmens? Wie groß ist der Ressourcenverbrauch?“, erklärt Regina Schwegler, Geschäftsführerin von Inrate im Börsianer Grün Podcast. Bei der Schweizer Agentur geht es nicht um die Managementsysteme, wie sie von den meisten Ratingagenturen beurteilt werden. Also: Beurteilt wird nicht das Umwelt- und Sozialprogramm oder der Umweltbericht des Unternehmens, sondern die Auswirkung der Produkte und Dienstleistungen auf Umwelt und Menschen. „Nur die Managementsysteme zu betrachten, ist Humbug. Da sind dann Ölkonzerne oder Atomkraft-Betreiber nachhaltig“, kritisiert Schwegler. Inrate schaut auf die Wirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.  „Wir untersuchen auch die Wirkungen von Wärmeträgern auf Basis von wissenschaftlichen Studien“, ergänzt sie.

Achtung, Interessenkonflikt

Gekauft werden die Ratings grundsätzlich von der Finanzwirtschaft, von Banken, Versicherungen, institutionellen Investoren. Nicht die Unternehmen selbst beauftragen die Ratings. Das ist ein wichtiger Unterschied zu reinen Umweltlabels und Zertifikaten, die direkt im Auftrag von Unternehmen erstellt werden. Ratings verhindern weitgehend den Interessenkonflikt zwischen dem Unternehmen und dem Bewerter. 

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Sowohl Schwegler als auch Moshuber sind trotz der Problematik rund um die Ratings zuversichtlich, dass die Branche nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Umwelt- und Sozialorientierung von Unternehmen leistet, sondern auch für Anleger zunehmend transparent wird. „Ich bin sehr froh, dass jetzt viel über Standards für diese Ratings diskutiert wird und dass es EU-Standards geben soll“, freut sich Schwegler. Allerdings: Die Bürokratie wächst damit. Man muss darauf schauen, dass die Regeln in der Praxis anwendbar sind. Für Moshuber ist die Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft, die durch Ratings ein sichtbares Zeichen erhält, ein wichtiges Mittel, um die Welt in Richtung Klima-, Umweltschutz und besseren sozialen Umgang zu entwickeln.

Meine Grüne Rendite

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Gelernt habe ich: Nachhaltig investieren erfordert Zeit. Anleger müssen Finanzberater mit Fragen löchern: Wie kommt das Rating zustande? Wird nur das Managementsystem bewertet? Gibt es Ausschlusskriterien? Wie gehen die Analysten vor, wenn sie die Nachhaltigkeit der Unternehmen beurteilen? Wird die gesamte Lieferkette bewertet? Und, und, und. Nicht einfach so ein Investment, aber gut fürs Klima, für die Umwelt und die Menschen. Das sollte uns die Zeit wert sein.

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