Börsianer Grün Logo Text
Börsianer Grün Logo Icon
Das Thema Greenwashing und Etikettenschwindel zieht sich durch Unternehmen und Fondsanbieter.
REUTERS/Heiko Becker/Picturdesk Activists place washing machines in front of the Deutsche Bank headquarters to protest against greenwashing during Deutsche Bank AG Annual Shareholders Meeting in Frankfurt, Germany, May 19, 2022.
Von Irmgard Kischko
Der grüne Etikettenschwindel
Wie trügerische Nachhaltigkeit, also Greenwashing, Anleger verunsichert, Unternehmen die Reputation kostet und für Asset Manager zum Problem wird.
August 2022
ist erfahrener Analyst mit Schwerpunkt ESG in der Erste Asset Management
Ist Vorständin Hannorverische Kassen und Mitglied im Sustainable Finance Beirat der Deutschen Bundesregierung

Nachhaltigkeit als Marketing-Gag. Angesichts der rasch wachsenden Nachfrage nach ESG-Fonds ist die Verführung groß, dass sich Fondsanbieter oder Unternehmen ein grünes Mäntelchen umhängen, unter dem sich vieles versteckt: einige nachhaltige Aktivitäten, aber auch eine Reihe von weniger grünen oder sozial engagierten Geschäften. Greenwashing und grüner Etikettenschwindel sind zu einem Problem geworden, das Anleger verunsichert, aber auch zu einem Risiko für nachhaltige Unternehmen. 

 

Der grüne Etikettenschwindel





00:00

00:00

Das bekannteste Beispiel in der jüngsten Vergangenheit ist wohl die Deutsche Bank-Tochter DWS Group. Die ehemalige Nachhaltigkeitschefin des deutschen Fondsanbieters hatte dem Unternehmen vorgeworfen, die Angaben zu Nachhaltigkeitskriterien zu hoch angesetzt zu haben. Wie ein Orkan verbreitete sich diese Nachricht über soziale Medien. Der „Nachhaltigkeits-Skandal bei DWS“ hatte schwerwiegende Folgen: Nicht nur die Reputation war beschädigt, der Chef musste zurücktreten und Razzien durch Strafverfolgungsbeamte wegen Irreführung der Anleger standen der DWS ins Haus. 

zahlen und fakten

Zahlen & Fakten

58

zahlen und fakten

Prozent von 1491 Top-Managern rund um die Welt sagten in einer anonymen Umfrage von Harris Poll für Google Cloud, dass ihre Unternehmen Greenwashing betrieben hätten.

Unterschiedliche Definitionen

Das Ausmaß dieses Greenwashing-Skandals hat die gesamte Nachhaltigkeitsbranche erschüttert und Anleger weiter verunsichert.  Denn die Gratwanderung zwischen gerade noch vertretbarem Marketing und verwerflichen Falschinformationen ist heikel. „Wenn Sie zehn Anleger fragen, was für Sie unter ESG fällt, bekommen Sie zehn Antworten“, beschreibt Gerald Schrei, ESG-Experte im Asset Management der Zürcher Kantonalbank Österreich, das Problem. Es fehlt einfach eine eindeutige, klare Definition. Dazu kommt, dass ESG nicht nur Umweltthemen umfasst, sondern eben auch soziale Verantwortung und Gouvernance. „ESG ist ein sehr umfassender Begriff“, sagt Alexander Osojnik, Senior ESG Research Analyst bei der Erste Asset Management im aktuellen Climate-Action-Podcast. Die Finanzdienstleister behelfen sich mit selbst aufgestellten Kriterienlisten und Auswahlprozessen. Meist wird zu Daten externer Anbieter gegriffen.

„Wir verwenden Daten von mehreren Anbietern. Damit können wir einen Vergleich ziehen und negative Ausreißer detektieren“, erklärt Osojnik. Zudem wird noch ein internes Screening darübergelegt. Mit dieser Nachhaltigkeits-Prüfung auf mehreren Ebenen sollte Greenwashing unterbunden werden können. Auch die Zürcher Kantonalbank nutzt Daten externer Anbieter und eigene Ausschlusskriterien. „Unternehmen, die mit thermischer Kohle zu tun haben, Waffen erzeugen oder kontroverse Geschäftspraktiken betreiben werden aus unserem ESG-Investment ausgeschlossen“, betont Schrei. 

ist erfahrener Analyst mit Schwerpunkt ESG in der Erste Asset Management

Ist Vorständin Hannorverische Kassen und Mitglied im Sustainable Finance Beirat der Deutschen Bundesregierung

Transparenz gegen Greenwashing

Der ESG-Manager betont allerdings, dass Toleranzgrenzen eingezogen werden. „Wir investieren in mehr als 100 Unternehmen. Daher lassen wir fünf Prozent des Fondsvolumens an Abweichungen von ESG zu“, erklärt Schrei. Das allerdings werde den Investoren klar kommuniziert. Transparenz ist demnach auch der wichtigste Hebel, um Greenwashing zu verhindern.  „Die Kunden müssen wissen, was sie kaufen. Das erfordert einen intensiven Beratungsprozess“, stellt auch Erste Asset Manager Osojnik fest. Und sie sollten auch wissen, was und warum verkauft wird. Beim VW-Skandal, zum Beispiel. „Wir haben uns im ESG-Team zusammengesetzt und sofort beschlossen, die VW-Aktien zu verkaufen. Das erfolgte noch bevor externe Datenlieferanten dies vorgeschlagen haben“, beschreibt Osojnik die Vorgangsweise. Das schaffe Vertrauen bei den Anlegern. 

Vertrauen schaffen können auch Labels wie das FNG-Siegel, oder das österreichische Umweltzeichen, für Fonds. Mit diesem Label werden ESG-Fonds vergleichbar, es gibt eine einheitliche Definition dessen vor, was nachhaltig ist. Silke Stremlau, Vorständin Hannoverische Kassen und Mitglied im Sustainable Finance Beirat der Deutschen Bundesregierung, sieht den Mangel an vergleichbaren Labels in anderen europäischen Ländern als eine Ursache für Greenwashing.  „Das hat teilweise zum Wildwuchs bei den Fonds geführt hat. So haben einige Anbieter mit drei lapidaren Ausschlusskriterien ihre Fonds als nachhaltig gelabelt, obwohl das eben nicht der Fall war“, sagt sie. Gleichzeitig spricht sich Stremlau für eine Offenheit des Marktes aus, in dem verschiedene Ansätze umgesetzt und die Präferenzen der Anleger angenommen werden. 

Newsletter

newsletter

börsianer grün briefing

Werde mit unserem exklusiven Climate-Action-Briefing (14-tägig) zum Sustainability-Leader. Nicht morgen, sondern jetzt!








Newsletter

newsletter

börsianer grün briefing

Werde mit unserem exklusiven Climate-Action-Briefing (14-tägig) zum Sustainability-Leader. Nicht morgen, sondern jetzt!








(Mindest)Standards nötig

Es mag ja sein, dass ESG nicht einfach zu definieren ist. In diesem Wirrwarr an unterschiedlichen Zugängen verlieren Investoren die Übersicht und Greenwashing-Vorwürfe können wunderbar gedeihen.  Was also tun? Osojnik wie auch Schrei hoffen auf die EU. Die Taxonomie-Verordnung und ab 2023 die Corporate Sustainability Reporting Directive sollten einheitliche, vergleichbare und transparente Vorgaben für Nachhaltigkeit aufstellen. Unternehmen sollen sie verpflichtend veröffentlichen. Damit könnte Greenwashing weitgehend unterbunden werden.

Aber auch hier lauern Fallen. „Wenn diese Reportings allzu umfangreich ausfallen, werde ich skeptisch“, sagt Osojnik. Unternehmen wollen jedes positive Detail hervorstreichen und sich oft besser darstellen als sie wirklich sind. 

quote

zitat

„Ich fände es schön, wenn es einmal eine einheitliche Definition für Nachhaltigkeit gäbe“

quote

Alexander Osojnik, Erste Asset Management

Stremlau plädiert für gewisse Mindeststandards, die nachhaltige Investments erfüllen müssen, so dass keine Verbrauchertäuschung passiert. „Uns schwebt ein fünfstufiges Klassifizierungssystem für alle Finanzprodukte vor“, erklärt sie. So bekomme jedes Produkt, nicht nur die nachhaltig etikettierten, eine auf einen Blick erkennbare Einwertung, je nachdem, ob starke ESG-Risiken vorhanden oder eher sozial-ökologische Wirkungen messbar seien. Die Bundesregierung habe aus diesem Klassifizierungssystem eine „Nachhaltigkeitsampel für Finanzprodukte“ gemacht. „Wir überlegen jetzt gemeinsam, wie man diese Nachhaltigkeitsampel europaweit auf den Weg bringen könne. 

Meine Grüne Rendite

heading gruene rendite

Nicht alles ist definierbar. Trotz aller Bemühungen, ESG in klaren Worten einzufangen, Transparenz zu schaffen und Greenwashing zu verhindern, bleibt ein Restrisiko. Das Verständnis von ESG ist eben oft individuell unterschiedlich, manche Anleger sehen das sehr eng definiert, andere lassen Unternehmen zu, die sich auf dem Weg zur Nachhaltigkeit befinden. „Eine gewisse Ernüchterung wird nicht zu vermeiden sein, ist Stremlau überzeugt. Die normalen Anleger hätten sicherlich strengere Anforderungen an ESG als sie Fondsmanager umsetzen könnten. Die Hoffnung legt auch sie in die EU: „Eine weitere Regulierung, wie sie von der EU bereits angefangen wurde, ist sicherlich nötig und auch richtig.“

meine gruene rendite

linie

printmagazin

Das Börsianer Grün-Magazin

Der Börsianer Grün ist das Leitmedium für Nachhaltigkeit in der D-A-CH-Region und soll allen Topentscheidern aus Wirtschaft, Finanz und Politik Orientierung geben.

Über den Autor

Die Börsianer Grün Redaktion

Ähnliche Artikel