Der Platz an der Sonne schien Europa sicher. Die USA haben zwar den Silicon Valley und ihre global agierenden Digitalunternehmen. Aber am alten Kontinent wird an den Stellschrauben der grünen Transformation gedreht, wobei Europa die Technologieführerschaft innehat. Dieser Standpunkt bekam freilich im August 2022 einen Rempler versetzt – als die US-Regierung unter Joe Biden den „Inflation Reduction Act” (IRA) präsentierte. Dieser subventioniert unter anderem grüne Technologien „Made in USA” mit einem Vielfachen des in Europa an staatlichen Geldern Zulässigen.
Climate Fact
Subventionen in USA und Europa
Die Antwort der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kam in Form eines 250 Milliarden schweren „Green Deal Industrial Plans”. Wobei in einem ersten Schritt hierfür einfach Gelder aus dem „Repower-EU-Programm” abgezogen und keine neuen Gelder am Kapitalmarkt aufgenommen werden – die Hintergründe gibt es hier zu lesen.
Der Wettkampf um die grünen Technologien
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Industrie begrüßt Green Deal Industrial Plan
Die Europäische Industrie zeigte sich in einer ersten Reaktion einmal zufrieden. „Der Plan enthält eine Reihe richtiger Maßnahmen, wie insbesondere eine Verfahrensbeschleunigung für Projekte strategischer Industriezweige. Gleichzeitig muss in gewissen Punkten mit Bedacht vorgegangen werden, etwa in der geplanten Weiterentwicklung der EU-Beihilferegeln”, erklärt etwa der Generalsekretär der österreichischen Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, auf Anfrage des Börsianer Grün.
Ähnlich reagiert der deutsche Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) auf eine schriftliche Anfrage: „Eine Antwort auf den US-amerikanischen IRA ist dringend notwendig, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Europa und Deutschland zu sichern.” Und wie sieht es auf der Unternehmensebene aus?
Wer gewinnt das Rennen beim Wasserstoff?
Globale Vergleiche zeigen, dass Europa insbesondere im Produktionsbereich führend bei der Anmeldung von Patenten neuartiger Technologien ist. Im Bereich Windkraft kommen die bedeutenden Player am Weltmarkt noch immer aus Europa – beispielsweise der Turbinenhersteller Vestas Wind Systems (ISIN: DK0061539921) oder der Windparkbetreiber Ørsted (DK0060094928). Insbesondere im Solarbereich haben die USA mittlerweile stark aufgeholt. Mit beispielsweise First Solar (US3364331070) oder Enphase Energy (US29355A1079) stellen sie am Weltmarkt führende Player im Solar- und Photovoltaikmarkt – wenn wir hier mal den von staatlichen Subventionen gelenkten chinesischen Markt außen vor lassen.
Was die Photovoltaik anbelangt, hat sich Europa das Zepter aus der Hand nehmen lassen und hat nun zu tun, den Markt an europäischen Anbietern zu forcieren. Grund für den Rückfall sind natürlich auch massive staatliche Subventionen Chinas, die mit billigen Produkten den Markt quasi übernahmen. Die Potentiale sind aber vorhanden, so die Experteneinschätzung. Die entsprechende Industrie und die Fachkräfte müssen jedoch mitentwickelt werden, um tatsächlich die angestrebte Energieversorgungssicherheit und ein gewisses Maß an Unabhängigkeit zu erreichen. Gegenüber Nordamerika hat Europa den großen Vorteil, dass der Pro-Kopf-Energieverbrauch hier nur etwa halb so groß ist wie in den USA und Kanada, erklärt die Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ), Martina Prechtl-Grundnig. Das liege an den vielen kollektiv genutzten Strukturen, vom dichtmaschigen Eisenbahnsystem bis zu dicht verbauten Stadtkernen mit Mehrfamilienhäusern, aber auch daran, dass Europa schon immer besser im Energiesparen gewesen sei.
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Wasserstofftechnologie (noch) nicht profitabel
Von besonderer Bedeutung wird es sein, die bestehenden Stärken im Bereich einer umfassenden Wasserstoffwirtschaft weiter auszubauen. Fondsmanager Günther Schmitt von Raiffeisen Capital Management (RCM) sieht speziell im Bereich Wasserstoff ein Match um eine zentrale Zukunftstechnologie – hier geht es zum Börsianer Grün-Climate-Action-Podcast mit ihm.
Es gibt definitiv diesseits wie jenseits des Atlantiks interessante Unternehmen. Aus Investorensicht ergibt sich aber noch kein klares Bild, weil Wasserstoff- beziehungsweise Brennstoffzellentechnologie noch nicht profitabel ist und in diesen Bereichen noch Investitionen notwendig sind”, erklärt Fondsmanager Schmitt.
Die Recherche ergibt, dass unter den europäischen Titeln Nel, ITM Power oder Enapter im Fokus der Investoren sind. In den USA sind Bloom Energy, Plug Power, Ballard Power oder Fuelcell Energy entsprechende Kandidaten.
Kommt jetzt der Subventionskrieg?
Doch zurück zur Ausgangsfrage: Werden sich Europa und die USA in einem protektionistischen Subventionskrieg aneinander aufreiben? Objektiv gesehen, blieb der EU-Kommission nicht viel anderes übrig, als auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA zu reagieren – auch wenn Europa damit vom eigenen Mantra „Subventionsabbau” abweicht. Bei genauer Betrachtung ist der globale Wachstumsmarkt für Technologien gegen die Klimaerwärmung groß genug, dass letztlich alle innovativen Unternehmen aus diesem Bereich profitieren und wachsen können, meint Fondsmanager Günther Schmitt.
Das Problem Europas ist derzeit nicht, dass es keine grüne Industriepolitik hat. Das Problem ist, dass Europa zu viele davon hat. Und dabei geht es nicht um Subventionen, die auf längere Sicht klarerweise problematisch sind. Ein Subventionswettlauf mit den USA und weiter auch mit China bringt letztlich niemandem etwas. Europa muss sich – wie im Green Deal Industrial Plan vorgesehen – auf eine Vereinheitlichung und Erleichterung der Genehmigungsverfahren einigen.
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