Nachhaltig investiertes Kapital soll einen positiven Impact haben. So weit, so klar. Seit fast einem Jahrhundert stellt sich nun aber schon die Frage: Was ist denn ethisch korrekte Anlage? Als erster weithin bekannter Ethik-Fonds setzte der stark christlich-konfessionell geprägte Pioneer Fund im Jahr 1928 Ausschlusskriterien, was etwa Alkohol oder Glücksspiel betrifft.
Die besten nachhaltigen Fonds
Knapp hundert Jahre später sind die Buchstaben ESG – also Environmental, Social und Governance – die Basis nachhaltiger Investments. Doch was jetzt wirklich in den Produkten steckt, verunsichert Investoren heute noch immer. Zwar gibt es mit der EU-Offenlegungsverordnung SFDR eigentlich eine Richtlinie, die nachhaltige Fonds definiert. Ein Problem dabei war bisher aber, dass Asset Manager ihre eigenen Produkte selbst zuordnen konnten. Zu optimistische Einstufungen führten seit September 2022 zu Herabstufungen. Die von der EU vorgeschlagene Einordnung nach Artikel 6, Artikel 8 und Artikel 9 funktioniert nur unzureichend. Es fehlt vielen Investoren an Vergleichbarkeit.
Um etwas mehr Licht ins Dunkel der Welt der nachhaltigen Fonds zu bringen, ist Börsianer Grün dem Thema gemeinsam mit dem Fintech ESG Plus auf den Grund gegangen und hat 2.700 in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) zugelassene Investmentfonds einem Test unterzogen. Dabei wurde gleichermaßen nach ESG-Kriterien und Performance bewertet. Die Dreijahresperformance und die Bewertung von zehn Nachhaltigkeitskriterien mit insgesamt 93 Unterkriterien ergaben gleichgewichtet die Gesamtbewertung. 1.917 Fonds mit einer Marktkapitalisierung von 1,6 Billionen Euro von 190 Asset Managern schafften es beim Börsianer Grün – ESG Fund Award in die Wertung. Gerade einmal 47 Produkte erreichten dabei eine Durchschnittsbewertung von mindestens 90 von 100 möglichen Punkten. Dafür wurde – angelehnt an bekannte Gastro-Rankings – ein Goldstatus sowie 3 Bäume vergeben. Wie die Bewertung genau erfolgte, ist in der aktuellen Sonderfolge des Climate Action Podcast zu hören.
Wie wird ESG definiert?
Auffallend unter diesen Top-47 Investmentprodukten ist, dass auch Fonds den Goldstatus erreichen, die sich selbst nicht nach EU-Standard als nachhaltig definieren. Zur Erinnerung: Die seit März 2021 gültige Verordnung über Nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) schreibt Fondsgesellschaften vor, ESG-Kriterien offen zu legen. Dabei müssen die Fonds drei Kategorien zugeordnet werden: 1.) Artikel 9-Fonds gelten als „dunkelgrün“ und sind Finanzprodukte, die einen nachhaltigen Impact anstreben. 2.) Artikel 8-Fonds bezeichnet man auch als „hellgrün“. Sie weisen in einigen Bereichen Nachhaltigkeitsmerkmale auf, investieren aber nicht nur nachhaltig. 3.) Der Rest wird unter Artikel 6 zusammengefasst: Damit werden Produkte bezeichnet, die keine oder nur in geringem Umfang Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen.
Climate Fact
Börsianer Grün - ESG Fund Award
Acht Fonds aus dieser Kategorie erreichten im Test ein Gesamtranking von 90 Punkten oder mehr. Dazu Armand Colard, Geschäftsführer von ESG Plus: „Unsere Untersuchung zeigt, dass die reine Kategorisierung als ‚hellgrüne‘ Artikel 8-Fonds keine Rückschlüsse auf hohe Nachhaltigkeitswerte zulässt. Die Spannweite der Nachhaltigkeit, also die niedrigsten und höchsten Werte, ist bei Artikel 8-Fonds überraschenderweise sogar höher als bei Artikel 6-Fonds. Bei Artikel 9-Fonds hingegen sind die Nachhaltigkeitswerte im Schnitt deutlich höher und die Spannweite der Werte enger als bei Artikel 6- und Artikel 8-Fonds.“
Gütesiegel helfen bei der Orientierung
Nachdem die Kapitalanlagegesellschaften (KAGs) in einer ersten Phase die Zuordnung nach Artikel 6, 8 oder 9 selbst durchführen konnten, folgte Ende des Jahres 2022 bei vielen Produkten eine Herabstufung sowohl von Artikel 9 auf 8 als auch von Artikel 8 auf 6. In der EU sank seit September der Anteil von Artikel 9-Fonds am Gesamtmarkt um rund 40 Prozent von 5,2 auf 3,3 Prozent. In der EU-Kommission glühen seither die Köpfe. Laut „Financial Times“ soll es innerhalb der EU-Kommission Stimmen geben, die eine Abkehr von der derzeitigen Regelung präferieren.
Fondsexperte Colard meint: „Artikel 9-Fonds weisen höhere Nachhaltigkeitswerte als Artikel 8-Fonds auf und eignen sich – vor allem in Kombination mit ESG-Labels wie dem österreichischen Umweltzeichen oder dem deutschen FNG-Siegel – gut als Orientierung für nachhaltige Investorinnen und Investoren.“ Doch welche sind die Spitzenprodukte in der Bewertung von Börsianer Grün?
Das sind die besten Fonds
In der Kategorie Aktienfonds überzeugten der Green Benefit Impact Fund (100 Punkte, 3 Bäume, ISIN LU1136260384) sowie der Luxembourg Selection Fund – Active Solar (99,5 Punkte, 3 Bäume, LU1308789038) und der Erste WWF Stock Environment (99,5 Punkte, 3 Bäume, AT0000705678). Ein Blick auf die Veranlagungsstrategie der Besten zeigt, dass Investments in Firmen, die die Energiewende vorantreiben, derzeit zu sehr guten Renditen führten. Das bekräftigt auch Manfred Wiegel, CEO and Fondsmanager der Green Benefit AG: „Die Solartitel liefen gut und wir waren bereits 2019 als einer der ersten im Thema Wasserstoff.“ In seinem Fonds gibt es bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit nur bei der Wahrung indigener Rechte Abstriche.
Zahlen & Fakten
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Diese sind ein immer wiederkehrendes Problem in Lieferketten von Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien, da sie oft die Rohstoffbeschaffung anbelangt. Im konkreten Fall gab es bei einem im Fonds befindlichen Solar-Unternehmen Verletzungen der Rechte der in China lebenden Uiguren sowie beim US-Unternehmen United Natural Foods Verletzungen indigener Rechte im Bereich des Amazonas. Wiegel dazu: „Wir haben den Anteil von chinesischen Werten darum systematisch reduziert und keine Werte mehr, die in Hongkong oder Asien direkt gehandelt werden, da die Datenqualität dort nicht so gut ist. Die Abstriche bezüglich der indigenen Rechte sehen wir nur rein theoretisch, wenn die Unternehmen hier Fehlverhalten zeigen würden, würden wir sofort aussteigen.“ Laut eigenen Angaben ist die geringe Datenverfügbarkeit bei kleinen Firmen, in die investiert wird, ein Grund, warum Wiegel mit dem Produkt derzeit nicht die Aufstufung auf Artikel 9 wagt.
Bei Anleihenfonds weisen der Allianz US Short Duration High Income Bond (96 Punkte, 3 Bäume, LU1442232507) und der Robeco Financial Institutions Bonds Feeder Fund (96 Punkte, 3 Bäume, LU1874123232) Bestwerte auf. Und bei Mischfonds liegen der Artikel 6-Fonds SEB 1 Asset Selection Fund (98 Punkte, 3 Bäume, LU0256624742) und der Acatis Fair Value Modulor Vermögensverwaltungsfonds (97,5 Punkte, 3 Bäume, LU0278152516) ganz vorne. Hier gibt es das Gesamtergebnis sowie die Liste aller ausgezeichneten Investmentfonds.
ESG bringt Performance
Die Erklärung, warum ein Artikel 6-Fonds in diesem Ranking aus Performance und Nachhaltigkeit ganz vorne landet, liefert Colard von ESG Plus: „Bei Mischfonds hängt der erreichte ESG-Wert auch stark davon ab, wie hoch die Länder- zur Unternehmensquote im jeweiligen Fonds ist und natürlich auch welche Staaten und Unternehmen enthalten sind. Der Fonds auf Platz eins ist beispielsweise stärker in Länder und die Fonds auf den Plätzen zwei und drei sind stärker in Unternehmen investiert. Spannend ist, dass ein Artikel 6-Fonds zwar das Gesamtranking der Mischfonds anführt, aber der zweitplatzierte Artikel 9-Fonds bei der Performance gewinnt und der drittplatzierte Artikel 8-Fonds dafür bei der Nachhaltigkeit den höchsten Wert unter den Mischfonds aufweist.“ Prinzipiell ist die Erkenntnis der Analyse aus 1.917 Fondsprodukten jedenfalls, dass über einen längeren Zeitraum gesehen gute Performance mit der Berücksichtigung von ESG-Kriterien einhergeht.